Ort des Geschehens: Lannora-Klasse | Zelle
Beteiligte Personen: Junia Rix (Dr. Anna Saar)
Datum: 06.10.2400 Uhrzeit: 0840
------------------------------------------------------
Das Blitzgewitter, mit dem sie und Doktor Saar bedacht wurden, war schon nervig genug, doch diese penetrante Geräuschkulisse, der man sie zusätzlich aussetzte... Selke hatte genug! Der Blick ihrer grüngrauen Augen, die momentan eher zu schiefergrau tendierten, verriet deutlich, wie ihre Stimmungslage war. Entschlossen riss sie Stoff von ihrem T-Shirt ab, machte zwei Teile draus und stopfte sich diese in die Ohren, damit sie ihre Hände frei hatte, dann erhob sie sich und ließ ihren Blick schweifen.
"Was haben Sie vor, Lieutenant?" wollte Anna wissen und schaute die romulanische Sicherheitschefin fragend an. "Diesem Lärm ein Ende setzen!" gab diese knurrend zurück. Die Entführer mochten einige Umbauten vorgenommen haben, doch Selke war mit diesem Schiffstyp vertraut genug, um bestimmen zu können, wo die Lautsprecher untergebracht sein mussten. Sie bewegte sich durch den Raum, und auch wenn sie ihre Ohren mit Stofffetzen schützte, hörte sie noch immer genug, um die Geräuschquelle mit ihrem Gehör orten zu können. Schmale Schlitze verrieten, wo sie ansetzen musste.
Da die Entführer am gestrigen Tag die Tabletts wieder eingesammelt hatten, immerhin war Essen nicht mehr vorgesehen gewesen, hatte sie nun auch keinerlei Werkzeuge, die sie nutzen konnten. ###Nun gut, dann müssen meine Hände und meine Kraft wohl genügen müssen###, dachte sie und hielt kurz inne. Der Raum war nicht besonders hoch, dennoch waren diese Schlitze recht weit oben. Es würde also ungemütlich werden und vermutlich nicht ohne weitere Verletzungen über die Bühne gehen. Das jedoch waren Dinge, auf die sie jetzt keine Rücksicht nehmen konnte und wollte. Sie wollte nur noch, dass der Lärm endlich aufhörte. Und wenn sie dabei erstens dieses Schiff ein wenig demolierte (egal, es gehörte den Entführern) und zweitens ein paar weitere Verletzungen abbekam, dann war dem eben so. Sie war mehr als gewillt, dies auf sich zu nehmen.
Anna erkannte, was Selke vor hatte. "Lieutenant, halten Sie das wirklich für eine gute Idee?" Sie beäugte die schmalen Schlitze. Sicher, die Finger der Romulanerin waren schlank genug, so dass das durchaus funktionieren mochte, doch die Kanten wirkten nicht eben einladend, und die Ärztin vermutete, dass die Sicherheitschefin sich bei ihrem Vorhaben weitere Verletzungen zuziehen mochte. Nicht, dass es jetzt noch darauf ankam, denn Verletzungen hatte diese wirklich schon genug abbekommen. Mit Grausen erinnerte sich Anna, was dieser Neandertaler alles mit Selke veranstaltet hatte und war mehr als sicher, dass diese wohl einige Sitzungen beim Counselor nötig haben würde. Von einer ausgiebigen Behandlung auf der Krankenstation mal ganz zu schweigen.
Selke schaute starr auf diese Schlitze der Abdeckung, hinter der sich der Lautsprecher befand. "Zumindest wird es hier drin vom Geräuschpegel her wieder erträglich," knurrte sie, trat an das Zielobjekt heran und griff beherzt zu. Die Kanten waren, wie die Ärztin auch bereits vermutet hatte, scharfkantig, mit entsprechenden Auswirkungen auf ihre Finger, doch das ignorierte sie. Sie hatte ein klares Ziel vor Augen, und davon ließ sie sich nicht abbringen. Die Abdeckung erwies sich als hartnäckig, doch das war die Romulanerin auch. Sie hängte sich im wahrsten Sinne des Wortes voll rein und nutzte sowohl ihre Kraft als auch ihr gesamtes Körpergewicht, um die Abdeckung zu entfernen. Vor Anstrengung keuchend zog sie immer weiter, rutschte mehrmals ab, weil ihre Finger blutig waren, und machte dennoch weiter, bis die Abdeckung nach einigen Minuten schließlich nachgab. Plötzlich löste sich die Platte, und Selke landete wenig elegant auf dem Boden, wo sie einen Moment leicht benommen liegen blieb, denn die Landung war hart gewesen.
Anna, die das Spektakel schweigend mit angesehen hatte, eilte zu ihrer Kameradin. "Bleiben Sie liegen, Lieutenant", sagte sie in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete und sah, wie die Romulanerin kurz bestätigend nickte. Die Ärztin führte einen kurzen Bodycheck durch, der jedoch ohne Befund blieb. Das war gut, denn es hätte auch anders aussehen können. Mit weiteren Stofffetzen vom T-Shirt, das war ohnehin mittlerweile nur noch ein Lumpen, verband sie die Hände ihrer Kameradin. "Das war ganz schön leichtsinnig", tadelte die Ärztin die Sicherheitschefin.
"Mag sein, aber noch ist es hier nicht leise", gab diese grollend zurück. "Ich würde mein Werk jetzt gerne beenden, damit hier endlich wieder eine angenehme Lautstärke vorherrscht. Spricht was dagegen?"
Anna schüttelte den Kopf. "Nein, aber seien Sie vorsichtig, Lieutenant."
Die Romulanerin nickte, erhob sich wieder und warf einen Blick in die Öffnung. Da war er, der Lautsprecher, aus dem die unsäglichen Geräusche kamen. ###Das war's für dich, Freundchen!### dachte sie, griff zu und riss ihn beherzt heraus. Funken sprühten, und Selke spürte, wie sie einen Schlag bekam. Mit einem leisen Aufschrei landete sie erneut auf dem Boden, doch wenigstens herrschte Ruhe. Endlich.
Innerlich fluchend kniete Anna neben Selke nieder und unter suchte sie kurz. ###Das hatte ja passieren müssen###, dachte sie. ###Und ich sag noch, sei vorsichtig...### Dass die Romulanerin einen Stromschlag bekommen hatte, war nicht gut, zumal sie in den letzten Tagen mehr als einmal unter Strom gesetzt worden war. Das aber war kontrolliert geschehen. Das hier jedoch war alles andere als kontrolliert gewesen und mochte Probleme nach sich ziehen. Und bei Romulanern Rhythmusstörungen des Herzens zu bemerken war ohne medizinische Hilfsmittel unmöglich, da diese einen so schnellen Herzschlag hatten, dass nur entsprechend justierte Scanner Störungen bemerken konnten. "Kommen Sie, ich helfe Ihnen beim Aufstehen."
Selke ließ sich aufhelfen. Sie wusste, dass das dumm gelaufen war und auch, dass dieser Unfall auch nachträglich noch Auswirkungen haben mochte. Dennoch stand sie zu dem, was sie gerade getan hatte. Ihre Ohren dankten es ihr. Als Anna sie aufforderte, sich hinzulegen, kam sie dieser Aufforderung umgehend nach, und da es endlich still war, genügte es ihr, ihre Arme über die Augen zu legen, damit es angenehm dunkel war. Binnen weniger als einer Minute schlief sie schließlich ein.
[Wörter: 940]